„Doch nicht etwa ich?“

Geistlicher Impuls zur Karwoche

Die Karwoche beginnen wir mit dem Palmsonntag, der uns im Passionstext des Tages die Passion Christi nach Markus nahebringt, von der Salbung, über den Verrat und das Abendmahl bis hin zur Festnahme im Garten Gethsemane, dem Verhör und der Kreuzigung.

Eine Frage der Jünger sticht dieses Jahr für mich aus dem Passionstext heraus (Mk 14,19). Als Jesus davon spricht, dass ihn einer der zwölf verraten wird, ist es nicht nur Judas Iskariot, der (vermutlich) in Aufregung gerät, weil sein Freund um seinen Verrat weiß. Nein, auch die anderen Elf fragen sich, ob sie es nicht sein könnten! Immer wieder eine Überraschung für mich.

Und doch – ehrlicherweise – so bin auch ich. Manchmal vollmundig wie Petrus und erschreckt, wenn der Hahn kräht; treu folgend, mich beschenken lassend bei der Eucharistie, die Treue und Barmherzigkeit Gottes spürend und doch gleichzeitig mit den Jüngern fragend „doch nicht etwa ich?“

Viel zu selten frage ich mich das vielleicht. Wie schnell werde ich vom eifrigen Nachfolger zum Judas? Diese Rolle des Verräters kommt ja eben keinem zu, der von außen herantritt an den Kreis der Jünger, in das Vertrauen des Herrn. Es ist einer aus dem „innersten Zirkel“, einer, der all die Wunder miterlebt hat, den sich der Herr selbst erwählt hat und vom dem Petrus sagen wird: „Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst“ (Apg 1,17). Also: Wie und wo und durch was und warum verleugne und verrate ich meinen Freund, meinen Bruder und Herrn? (Und merke es nicht einmal, weil oft im wahrsten Sinne des Wortes kein Hahn danach kräht?!)

Die Apostel sind uns Warnung und Vorbild. Sie wissen um ihre Schwachheit und um die Gefahr, selbst zum Verräter zu werden. Sie wissen, dass die Bedrohung von außen auch im Inneren um sich greifen kann, bei und durch Jeden. Sie zeigen uns aber auch, wie die Scheu zu besiegen ist und an Pfingsten ganz von ihnen weicht.

So ist diese Zeit der Heiligen Woche auf Ostern zu eine gute Gelegenheit am Abschluss der Fastenzeit noch einmal gezielt auf sich selbst zu schauen. Viele Gelegenheiten gibt es, zum Judas zu werden. Da hilft die Frage auch mir: „Doch nicht etwa ich?“

P.S.: Wer in dieser Zeit die Passionen Bachs hört, sollte z.B. bei der Matthäuspassion genau hinhören, denn dort ist der Chor der Apostel mit der Frage „Herr, bin ich´s?“ (BWV 244/15) zwar kurz aber eindrucksvoll zu hören.

Der Autor Michael Raab ist Theologiestudent.



Pfarrbrief

 Der nächste Pfarrbrief erscheint voraussichtlich zum Aschermittwoch. Der nächste Redaktionsschluss ist am 01. Februar 2022.

 

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